Der Solar Decathlon in Wuppertal: Ein Leuchtturm für nachhaltiges Bauen

Der Solar Decathlon ist weit mehr als nur ein Wettbewerb – er ist eine Plattform für Innovation, Nachhaltigkeit und die Zukunft des urbanen Bauens. Seit seiner Premiere in den USA im Jahr 2002 hat sich der Solar Decathlon weltweit als der bedeutendste universitäre Wettbewerb für nachhaltiges Bauen und Wohnen etabliert. Im Sommer 2022 machte die europäische Ausgabe, der Solar Decathlon Europe 21/22, erstmals Halt in Wuppertal, Deutschland, und zog über 115.000 Besucher*innen an. Dieser Blog-Artikel beleuchtet die Veranstaltung in Wuppertal, ihre Ziele, die Autarkie der Gebäude, die Möglichkeiten für Privatleute und die beeindruckenden Erfolge vergangener Events.

Was ist der Solar Decathlon?

Der Solar Decathlon ist ein internationaler Hochschulwettbewerb, der Studierendenteams aus aller Welt herausfordert, innovative, nachhaltige und energieeffiziente Gebäude zu entwerfen und zu bauen. Anders als traditionelle Architekturwettbewerbe geht es hier nicht nur um Konzepte auf Papier – die Teams realisieren ihre Entwürfe als voll funktionsfähige Prototypen im Maßstab 1:1. In Wuppertal präsentierten 16 von 18 Teams aus elf Ländern ihre Gebäude auf dem sogenannten Solar Campus im Mirker Quartier. Zwei Teams aus Thailand konnten pandemie- und kostenbedingt nicht vor Ort bauen, waren aber in die Veranstaltung eingebunden. Die Gebäude, oft ein- oder zweistöckig mit bis zu 110 Quadratmetern Wohnfläche, kombinieren anspruchsvolle Architektur mit modernster Gebäudetechnik und nachhaltigen Materialien wie Holz, Stroh oder recycelbarem Lehm. Der Wettbewerb umfasst zehn Disziplinen – daher der Name „Decathlon“ – darunter Architektur, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, urbane Mobilität und Innovation. Eine Fachjury bewertet die Entwürfe, während Messungen über zwei Wochen Parameter wie Energieverbrauch und Autarkiegrad vergleichen.

Warum gibt es den Solar Decathlon?

Die Motivation hinter dem Solar Decathlon ist die Dringlichkeit der globalen Klimakrise und die Notwendigkeit, den Gebäudesektor nachhaltiger zu gestalten. Gebäude sind für einen erheblichen Teil des weltweiten Energieverbrauchs und der CO₂-Emissionen verantwortlich. Der Wettbewerb zielt darauf ab, innovative Lösungen für klimaneutrales Bauen zu entwickeln und die Energiewende in urbanen Kontexten voranzutreiben. In Wuppertal lag der Fokus erstmals auf dem urbanen Bauen – ein Paradigmenwechsel gegenüber früheren Veranstaltungen, die oft Einfamilienhäuser im Fokus hatten. Die Teams widmeten sich realen Herausforderungen wie der Sanierung von Bestandsgebäuden, der Schließung von Baulücken oder der Aufstockung bestehender Strukturen. Durch die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Studierenden aus Architektur, Ingenieurwesen und anderen Fachbereichen fördert der Wettbewerb praxisnahe Innovationen, die sowohl technisch als auch sozial und ökonomisch tragfähig sind. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützte die Veranstaltung in Wuppertal mit rund 11,8 Millionen Euro, um die Bedeutung des Themas zu unterstreichen.

Ziele des Solar Decathlons

Das übergeordnete Ziel des Solar Decathlons ist es, nachhaltiges, klimafreundliches Bauen und Wohnen in Städten zu etablieren und die Öffentlichkeit für diese Themen zu sensibilisieren. Konkret verfolgt die Veranstaltung mehrere Zielsetzungen: Erstens sollen die Gebäude zeigen, wie sich Energieeffizienz, erneuerbare Energien und kreislaufgerechtes Bauen in ästhetisch ansprechender Architektur vereinen lassen. Zweitens sollen die Prototypen demonstrieren, dass klimaneutrales Bauen bezahlbar und sozial verträglich sein kann. Drittens fördert der Wettbewerb die Entwicklung von Technologien und Konzepten, die in die Baupraxis übernommen werden können, etwa durch den Einsatz von Photovoltaik, Batteriespeichern oder intelligenten Gebäudemanagementsystemen. In Wuppertal lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Transformation urbaner Quartiere, mit dem Ziel, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Darüber hinaus dient der Solar Decathlon als Plattform für Wissenstransfer zwischen Forschung, Handwerk und der breiten Öffentlichkeit.

Was geschieht mit den Gebäuden nach dem Wettbewerb?

Ein besonderes Merkmal des Solar Decathlons in Wuppertal ist die Nachnutzung der Wettbewerbsgebäude. Nach dem Finale vom 10. bis 26. Juni 2022 blieben acht der 16 Demonstratoren in Wuppertal und wurden in das Projekt „Living Lab NRW“ integriert, das von der Bergischen Universität Wuppertal betrieben wird. Dieses Reallabor dient der Forschung und Lehre, indem es die Gebäude für weitere Untersuchungen zu Energieeffizienz, Flexibilität im Stromnetz und nachhaltigen Baumaterialien nutzt. Ab Mai 2023 konnten diese Gebäude von der Öffentlichkeit besichtigt werden, begleitet von Ausstellungen, die die innovativen Konzepte erläutern. Andere Gebäude, wie das des Gewinnerteams RoofKIT aus Karlsruhe, wurden demontiert und an anderen Standorten, etwa am Karlsruher Institut für Technologie, wiederaufgebaut. Die kreislaufgerechte Bauweise vieler Prototypen, die auf lösbare Verbindungen und wiederverwendbare Materialien setzt, ermöglicht eine flexible Nachnutzung oder ein Recycling der Bauteile, was die Nachhaltigkeit der Projekte unterstreicht.

Autarkiegrad der Gebäude

Ein zentraler Aspekt des Solar Decathlons ist die energetische Autarkie der Gebäude. In Wuppertal erreichten nahezu alle Prototypen eine positive oder ausgeglichene Energiebilanz, was bedeutet, dass sie mehr Energie durch Solarsysteme erzeugten, als sie verbrauchten. Die Teams setzten auf fortschrittliche Technologien wie Photovoltaikmodule, kombinierte Solarthermie- und Photovoltaikelemente (PVT) sowie Batteriespeicher, um einen hohen Eigenverbrauchsgrad zu erzielen. Im Durchschnitt nutzten die Gebäude etwa die Hälfte des erzeugten Solarstroms selbst, was deutlich über dem üblichen Standard liegt. Intelligente Gebäudemanagementsysteme optimierten den Energiefluss und passten den Verbrauch an die Verfügbarkeit regenerativen Stroms an, wie etwa durch die WSW Energiewetteruhr, die den Teams zeigte, wann erneuerbare Energie im Netz verfügbar war. Einige Teams integrierten innovative Ansätze wie Algaetecture (Abwasseraufbereitung durch Algen) oder die Nutzung organischer Abfälle zur Energiegewinnung, um die Autarkie weiter zu steigern. Diese Technologien machen die Gebäude nicht nur unabhängiger von externen Energiequellen, sondern unterstützen auch die Stabilität des Stromnetzes.

Beteiligung und Nutzen für Privatleute

Privatleute hatten in Wuppertal vielfältige Möglichkeiten, sich am Solar Decathlon zu beteiligen und davon zu profitieren. Während der öffentlichen Veranstaltungstage vom 10. bis 12. Juni, 16. bis 19. Juni und 22. bis 26. Juni 2022 konnten Besucherinnen die Gebäude kostenlos besichtigen und an Führungen teilnehmen, die von den Studierendenteams geleitet wurden. Diese boten Einblicke in die Funktionsweise der Technologien und die zugrundeliegenden Konzepte. Vorträge, Workshops und kulturelle Veranstaltungen, wie der „Kongress Energiewendebauen“ am 9. und 10. Juni, ergänzten das Programm und ermöglichten den Austausch mit Expertinnen aus Forschung und Praxis. Für Privatleute, die sich für nachhaltiges Bauen interessieren, war der Solar Decathlon eine Inspirationsquelle: Die vorgestellten Lösungen, etwa Passivhausstandards, modulare Holzbauweise oder integrierte Solarsysteme, sind teilweise auch für private Bauvorhaben adaptierbar. Zudem können die Erkenntnisse aus dem Wettbewerb, die in einem umfassenden „Competition Source Book“ dokumentiert sind, von Bauherren und Architekt*innen genutzt werden. Das Buch steht auf der Webseite sdeurope.uni-wuppertal.de kostenlos zum Download bereit und bietet detaillierte Analysen sowie interaktive 3D-Rundgänge durch die Gebäude.

Vergangene Veranstaltungen und ihre Erfolge

Der Solar Decathlon blickt auf eine 20-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Seit 2002 wurden weltweit zahlreiche Wettbewerbe ausgetragen, darunter 13 europäische Ausgaben, die sich zunehmend auf Plusenergiehäuser und urbane Kontexte konzentrierten. In Wuppertal war der Gesamtsieg des deutschen Teams RoofKIT vom Karlsruher Institut für Technologie ein Highlight – der erste deutsche Sieg seit 2009. RoofKIT überzeugte mit einem zirkulären Konzept für die Aufstockung bestehender Gebäude, das vorgefertigte Holzmodule, lösbare Verbindungen und einen „Solarbaum“ für zusätzliche Energiegewinnung nutzte. Weitere deutsche Teams wie coLLab aus Stuttgart, MIMO aus Düsseldorf und levelup aus Rosenheim glänzten in Kategorien wie Gebäudetechnik, Energieperformance und Kommunikation. International belegten Teams wie VIRTUe aus Eindhoven und AuRA aus Grenoble vordere Plätze mit Konzepten für Gemeinschaftsgärten und verteilten Städtebau. Frühere Veranstaltungen, etwa in Dubai 2018 oder Frankreich 2014, führten zu Innovationen wie solaroptimierten Fassaden und modularen Bausystemen, die heute in der Baupraxis Anwendung finden. Der Solar Decathlon hat nicht nur technische Fortschritte vorangetrieben, sondern auch ein globales Netzwerk von Fachleuten und Studierenden geschaffen, die die Energiewende aktiv gestalten.

Der Spirit des Solar Decathlons

Ein oft hervorgehobener Aspekt des Solar Decathlons ist der besondere Gemeinschaftsgeist, der die Veranstaltung prägt. In Wuppertal betonten Teilnehmerinnen wie Annabell Gronau vom Team coLLab, dass Konkurrenzdenken zugunsten von Zusammenarbeit in den Hintergrund trat. Teams teilten Werkzeuge, Know-how und unterstützten sich gegenseitig bei Herausforderungen. Dieser „Spirit“ machte die Veranstaltung zu einem Ort des Lernens und der Inspiration, nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Besucherinnen. Die positiven Rückmeldungen und die hohe Besucherzahl unterstreichen die Strahlkraft des Events, das Wuppertal als Vorreiter für nachhaltige Stadtentwicklung positionierte.

Fazit: Ein Blick in die Zukunft des Bauens

Der Solar Decathlon Europe 21/22 in Wuppertal war ein Meilenstein für nachhaltiges Bauen. Er zeigte, wie innovative Architektur, erneuerbare Energien und soziale Verträglichkeit Hand in Hand gehen können, um die Städte von morgen zu gestalten. Die nahezu autarken Gebäude, die Nachnutzung im Living Lab NRW und die breite Einbindung der Öffentlichkeit verdeutlichen, dass der Wettbewerb weit über ein studentisches Event hinausgeht. Für Privatleute bietet er Inspiration und konkrete Ansätze für nachhaltige Bauvorhaben, während die Forschung von den Erkenntnissen profitiert. Mit seiner Erfolgsgeschichte und seinem Fokus auf die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit bleibt der Solar Decathlon ein Leuchtturm für die Energiewende und ein Symbol für die Kraft kollektiver Innovation.

Quellen:

  • energieforschung.de
  • dabonline.de
  • energie-experten.org
  • uni-wuppertal.de
  • energieforschung.de
  • sdeurope.uni-wuppertal.de

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